26. April 2020

„Die Gedanken sind frei“

In dieser situations-bedingt informations-armen Zeit soll in den nächsten Wochen jeweils ein schönes altes Volkslied zu euerer Aufmunterung und Erbauung beitragen, dies umso mehr, als wir ja bereits in der letzten Woche angeregt hatten, nicht ganz auf das gewohnte Singen zu verzichten, sondern dieses eben notgedrungen in die eigenen vier Wände beziehungsweise seinen Garten zu verlagern. Den Auftakt macht das schöne Lied „Die Gedanken sind frei“. Laut Wikipedia wurde der Text 1780 zum ersten Mal auf Flugblättern veröffentlicht. Im Zeitraum zwischen 1810 und 1820 entstand die Melodie dazu, und erstmalig wurde das Lied in der Sammlung „Lieder der Brienzer Mädchen“ in Bern abgedruckt. In diesen Zeiten umfangreicher Ein- und Beschränkungen eignet es sich sicherlich auch hervorragend, um sich zu Sinn- beziehungsweise Unsinn-Haftigkeit mancher eingeleiteten Maßnahmen seine eigenen und freien Gedanken zu machen.

1. Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten,
sie fliehen vorbei wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen,
es bleibet dabei: die Gedanken sind frei.

2. Ich denke, was ich will, und was mich beglücket,
doch alles in der Still, und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren kann niemand verwehren,
es bleibet dabei: die Gedanken sind frei.

3. Ich liebe den Wein, mein Mädchen vor allen,
sie tut mir allein am besten gefallen.
Ich bin nicht alleine bei meinem Glas Weine,
mein Mädchen dabei: die Gedanken sind frei.

4. Und sperrt man mich ein im finsteren Kerker,
da alles sind rein vergebliche Werke(r);
denn meine Gedanken zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei: die Gedanken sind frei.

5. Drum will ich auf immer den Sorgen entsagen
und will mich auch nimmer mit Grillen mehr plagen.
Man kann ja im Herzen stets lachen und scherzen
und denken dabei: die Gedanken sind frei.

Es sei noch eigens angemerkt, dass die dritte Strophe tatsächlich existiert und kein Hirngespinst des Verfassers dieser Zeilen ist. Gleichwohl wird sie relativ selten gesungen, sei aber in diesen oft schwer zu ertragenden Ausnahme-Zeiten eine Mahnung und Warnung an alle freiwillig oder zwangsläufig unbeweibten Junggesellen, nicht allabendlich dem Suff zu frönen und wenn mangels Alternativen dann doch, so nach Möglichkeit im Beisein einer überwachend und kontrolliert eingreifenden weiblichen Aufsichtsperson. Für etwaige Feste und Gelage, die es in Nach-Corona-Zeiten sicherlich auch wieder geben wird, eignet sich dieses einstmals revolutionäre musikalische Kleinod (Hambacher Fest, 1832) auch bestens zum humoristischen Umdichten, wie zum Beispiel:
„Die Getränke sind frei, wer soll sie bezahlen?
Politiker in die erst‘ Reih‘, denn es sind ja bald Wahlen!“
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!